Zur Geschichte der Wurster Freiheit

Eine Zusammenfassung von Lüder Korff

„Das Volk dieses Küstenstriches – des Landes Wursten – hat eine Geschichte gehabt, wie kaum eine andere der Marschen sich dessen rühmen kann, und die ihm das tiefeigene Gepräge aufdrücken musste, welches sein Wesen von jeher charakterisiert. Wie kein anderes weit und breit umher hat es gekämpft und gelitten für seine Unabhängigkeit voll Heldenmut und Ausdauer, wie keines umher so zähe den alten festen Friesensinn, die friesische Sprache und Sitte bewahrt und wie kein anderes, höchstens die Hadler ausgenommen, so viel Rechte und Freiheiten behauptet durch alle wechselnden Zeiten.“

Marschendichter Hermann Allmers in seinem Marschenbuch über das Land Wursten und seine Bewohner

Diese „ruhmvolle Geschichte“ bestand aus einem doppelten Kampf, gegen die Übermacht des Meeres einerseits und um die politische Eigenständigkeit andererseits; mit dem „tiefeigenen Gepräge“ meint Hermann Allmers wohl die bemerkenswerte Freiheitsliebe der Wurster, mit einem Augenzwinkern kennt man dieses „tiefeigene Gepräge“ auch heute noch als „Wurster Dickschädel“…

Bevor wir jetzt eine kleine Einführung in die Geschichte der Freiheitskämpfe der Bevölkerung des Landes Wursten eingehen, sei an dieser Stelle bereits auf die Quellen verwiesen, aus denen die folgenden Angaben entnommen wurden. In diesem Zusammenhang eine Empfehlung für alle, die sich eingehender mit der Geschichte des Landes Wursten beschäftigen wollen: Die genannten Bücher sind absolut lesenswert und geben sehr viele Details aus unserem Land Wursten!

Zunächst eine kleine Erklärung für Nicht-Wurster

Das Land Wursten ist eine historische Landschaft zwischen Bremerhaven und Cuxhaven. Während des Mittelalters bildete es die östlichste Landschaft der 8 freien friesischen „Seelande“. Heute bildet es, zusammen mit dem östlich angrenzenden Land Hadeln und dem jeweiligen Hinterland, einen typischen, relativ geschlossenen Kulturraum innerhalb des Landkreises Cuxhaven.

Friesland und Land Wursten [Quelle Wikipedia]

Der Name leitet sich her von dem niederdeutschen Begriff „Wurtsassen“ (die auf den Wurten saßen) oder „Wursaten“, beides meint „Wurten-Bewohner“.

Wurten sind künstliche Siedlungshügel, die bis zur Errichtung von Deichen in den Marschgebieten der Nordseeküste den einzigen Schutz für Mensch und Vieh vor Hochwasser und Sturmfluten boten.

Nachdem der Name lange Zeit nur noch eine Landschafsbezeichnung gewesen war, war er von 1974 bis 2015 als Samtgemeinde Land Wursten wieder in den offiziellen Sprachgebrauch zurückgekehrt.

Seit 2015 besteht die Einheitsgemeinde Wurster Nordseeküste.

Kleine vorgeschichtliche Betrachtung

Erste Zeichen einer Besiedlung durch Funde von Faustkeilen und Flintbeilen belegen bereits eine Besiedlung der Region durch Jäger und Sammler in der Alt- und Mittelsteinzeit.

Die ersten Siedlungen an den Küsten lagen um Christi Geburt zu ebener Erde auf den Brandungswällen. Später wurden sie wegen des ansteigenden Sturmflutspiegels mit künstlichen Hügeln aus Mist und Klei (Wurten) erhöht.

Viele der Wurten sind noch heute bewohnt. Die frühen Siedler waren Ackerbauern und Viehzüchter.

Um Christi Geburt lebte ein Germanenstamm in der Wurster Küstenlandschaft, die Chauken. Sie waren von der Geest her eingewandert und hatten sich auf dem sandig-kiesigen Strandwall angesiedelt, der durch Sedimentablagerungen entstanden war. Es kam immer wieder zu Schwankungen des Meeresspiegels und die Küstenlinien veränderten sich. Die ersten großen Dorfwurten entstanden entlang der Nord-Süd-Linie: Alsum, Dorum, Mulsum, Feddersen Wierde, Fallward, Barward und Dingen. Im 5. Jahrhundert kam es zu einer teilweisen Aufgabe der vorhandenen Wurten, gerade aus dem Mündungsgebiet von Elbe und Weser wanderten viele Sachsen nach England aus.

Die verlassenen Landstriche an der Nordsee, nördlich der Wesermündung (dem späteren Land Wursten) wurden etwa seit dem 8. Jahrhundert von Friesen neu besiedelt. Seither gehörte es zu den friesischen Landen. Dementsprechend galt in Wursten bis ins 16. Jahrhundert friesisches Recht. Zu dieser Zeit kam es auch zur Errichtung und Besiedelung der im Westen vorgelagerten großen Dorfwurten:

Cappel, Padingbüttel, Misselwarden und Wremen.

Die Friesen erhielten bereits um 800 Sonderrechte, um sich gegen die skandinavischen Wikinger verteidigen zu können. In der Folge entstand die sogenannte „Friesische Freiheit“, d.h. es gab keine Ritterschaft und keinen Adel, sondern autonome Landesgemeinden mit gewählten Großbauern als Richter. Zu diesen freien friesischen Ländern gehörte auch Land Wursten als einziges Gebiet im Elbe-Weser Dreieck. Schriftlich erwähnt als politische Einheit wird Land Wursten erstmals 1238 in einem Vertrag, der die Hamburger Kaufleute gegen die see- und strandräuberischen Aktivitäten der Wurster schützen sollte.

Eine von Kaiser Otto IV. im Jahre 1203 ausgestellte Urkunde besagt, dass es zwar eine Landschaft „Wurtsatia“ gab, aber keine der älteren Nachrichten weist darauf hin, dass das Land der „Wurtsassen“ oder der Wurten-Bewohner mehr war als eine Küstenlandschaft an der Nordsee war. Dies wurde erst 1238 dokumentiert.

Stationen des Wurster Freiheitskampfes

Nach dem Ende der Wikingereinfälle mehrten sich ab dem 11.Jahrhundert immer mehr Anzeichen für eine Verselbstständigung des Landes Wursten. Weder die benachbarten Erzbischöfe von Bremen oder Herzöge von Sachsen-Lauenburg, denen das benachbarte Land Hadeln gehuldigt hatte, konnten ihre Ansprüche auf das Land Wursten effektiv durchsetzen.

Stattdessen nahm die friesische Bevölkerung nicht nur die Eindeichung und Urbarmachung des Landes selbst in die Hand, sondern auch die Verwaltung und die Gerichtsbarkeit. Bis in das Hochmittelalter hinein beanspruchte das Land Wursten als Bauernrepublik das Recht der Friesischen Freiheit und schickte seine Vertreter zum jährlichen Thing am Upstalsboom bei Aurich.

Im 13., 14. und 15. Jahrhundert war Land Wursten ein unabhängiger Bauernstaat. Man kann zu gewissen Zeiten der Wurster Geschichte von einer Bauernrepublik als ein nahezu autonomes Staatswesen sprechen. Dieser Bauernstaat bestand aus neun Kirchspielen:

Imsum, Wremen, Mulsum, Misselwarden, Padinbüttel, Dorum, Cappel, Midlum, und Spieka. Aus diesen Kirchspielen entstand die Landesgemeinde.

An der Spitze ihrer Selbstverwaltung standen, wie auch in anderen friesischen Landesgemeinden, ein Exekutivorgan, die sechzehn Ratgeber, die „sostein radtgever“, die die freien Marschbauern nach Außen vertraten, richteten und verwalteten und auch gegen ihr eigenes blutiges Fehdewesen beschützten. Die sechzehn Ratgeber waren ein aus den erbgesessenen Familien der einzelnen Kirchspiele des Landes rekrutiertes Gremium und übten ihr Amt auf Lebenszeit aus.

Zum verfassungsgebenden Organ und damit Träger der Gewalt wurde die Landsgemeinde. Dies war die Gesamtheit der Landeseingesessenen – der „ganzen Gemeenheit des Landes tho Wursten“ oder „all dejenigen, de wohnhaftig un broteetende synt in dem Lande tho Wursten“.

In der Landesversammlung fanden sich die Ratgeber mit 18 Bevollmächtigten zusammen, die in den Kirchspielen gewählt wurden. Wichtige Entscheidungen fielen auf der uralten Thingstätte des Landes, auf dem Sieverdeshamm im Kirchspiel Misselwarden.

Für die Entwicklung des Küstenstriches war es entscheidend, dass Landnahme und Besiedelung allein Sache der Wurster waren. Adel und Klöster hatten hier kaum ihre Finger im Spiel. In einer bischöflichen Denkschrift aus dem 14. Jahrhundert heißt es:

„Die Wurster wollen sich nicht raten lassen, weil sie den Herrn nicht fürchten, ihre Obrigkeit nicht ehren, den Kirchen nicht gehorchen. Deshalb werden sie elende Sklaven sein der Fürsten der Finsternis.“

Die Bremer Bischöfe wussten sich die Wurster durch die Zahlung eines geringen Kirchenzinses vom Leib zu halten. Die adligen Regenten durften sich an den Gerichtstagen ein ebenso geringes Friedensgeld abholen. Mit diesen Zahlungen, die die Wurster freiwillig leisteten, hielten sie die unliebsamen Nachbarn fern. Gegen höhere Ansprüche sicherten sich die Wurster durch ihre Kampfkraft, die sich herumsprechen sollte.

So beobachteten sie argwöhnisch, wie die Edelherren von Bederkesa andere freie Bauern zu steuerpflichtigen Untertanen machten. Als die Edlen dasselbe bei den Wurstern versuchten, ging es ihnen schlecht. Im 14. Jahrhundert wurden ganze Adelsgeschlechter der Geest bis zum Aussterben dezimiert, weil sie die Finger nicht von den Wurstern lassen konnten. Auf diesem Weg gelang auch Midlum und die „Wurster Heide“ an Land Wursten.

1508 wurde eine Art Verfassungsurkunde bezeugt, die „Wurster Willkür“. Die 16 Ratgeber mit den 18 Vollmachten aus den 9 Kirchspielen haben damit ein Gesetzeswerk vorgelegt, das einerseits das Leben in Wurtfriesland und andererseits die Stellung der Ratgeber selbst bestimmt. Diese „Wurster Willkür“ wurde auf der Thingversammlung am Sieverdeshamm verlesen und als Landrecht angenommen.

Hier zeigt sich die Autonomie der Bauernrepublik: das Gesetz musste nicht von Fürsten oder Grundherrn abgesegnet werden – die Bauern beschlossen es in eigener Machtvollkommenheit auf der Grundlage altfriesischen (Rüstringer) Rechts.

Die mittelalterliche Geschichte Wurstens und anderer Küstengebiete wurde also besonders durch den Konflikt zwischen den Unabhängigkeitsbestrebungen der ansässigen Bauern und dem Herrschaftsanspruch der Feudalherren geprägt.

Die politische Unabhängigkeit der Region war zu dieser Zeit jedoch bedroht: Land Wursten war schon öfter im Fokus großer Nachbarn, die die wohlhabende, freie Wurster Bauernrepublik unterwerfen und in ihren Einflussbereich einordnen wollten.

Das schmale selbstbewusste Bauernland am Rande der Nordsee lag zu sehr im Schnittpunkt verschiedener Mächte. Freilich verstanden es die Wurster lange Zeit, durch kluge Politik mit diesen Mächten auszukommen, Koalitionen zu ihren Gunsten herzustellen, die Rivalitäten der Stärkeren auszunutzen oder einfach das Zünglein an der Waage der Geschichte zu spielen.

Diese Politik funktionierte einige Jahrhunderte. Doch dann verstärkten die Landesherren ihren Druck auf die freien Bauernrepubliken und so rückte auch das Ende der alten Wurster Autonomie heran.

1484 – Sachsen-Lauenburg wirft ein Auge auf Wursten

Der Herzog von Sachsen-Lauenburg musste Schulden an Hamburg zahlen und schielte nun gierig auf das Wurster Land um seine Kassen wieder aufzufüllen. Obwohl er mit Söldnern reichlich in der Überzahl war, konnte er den Angriff nicht erfolgreich beenden.

Die Wurster schlugen in Alsum nördlich von Dorum die Söldner des Herzogs gründlich. Dieser musste mit dem Rest seiner Söldner fliehen, die Wurster verfolgten die Fliehenden bis Bederkesa. Hier entkam der Herzog, indem er unerkannt mit einem Kahn über den Bederkesaer See setzte und verschwand.

Dies war der letzte Versuch dieses Herzogs, Land Wursten zu übernehmen.

Erst sein Sohn Magnus wagte es wieder, und zwar mit der „schwarzen Garde“ – einem berüchtigten, Kampfkräftigen, kaum besiegten, 4.000 Mann starken Söldnerheer, das schon gegen die Friesen in Butjadingen erfolgreich gekämpft hatte. Aber – mit List und Tücke – lockten die Wurster die Angreifer ins brüchige Eis und festigten mit einem Sieg über das gefürchtete Landsknecht-Heer ihren Ruf als Kämpfer.

Erzbischof Christoph von Bremen beendet Wurster Unabhängigkeit

1512 übernahm Christoph von Braunschweig-Wolffenbüttel, dem seine Zeitgenossen auch den Beinamen „der Verschwender“ gaben, den Erzstift Bremen. Er war machtgierig und prunksüchtig. Chronisten beschreiben ihn als trunkliebenden und verschwenderischen Mann. Sie nannten ihn sogar einen „Gesinnungslumpen im geistlichen Gewande“. Christoph gab sich nicht mehr mit der äußeren Anerkennung als geistlicher Oberherr der Wurster und den mageren Abgaben zufrieden. Ihn lockte die Lage der Wurster an der Wesermündung, der Steuerertrag des fruchtbaren Marschenlandes, das militärische, kriegsgeübte Aufgebot der Einwohner und die Gerichtshoheit.

So bereitete er den Angriff schon ab 1515 vor und seine Truppen griffen im Dezember 1517 mit 3.000 bis 4.000 Kriegsknechten, 1.000 Reitern und dem Aufgebot des Erzsstifts von ca. 8.000 Mann über den Aufmarschplatz Flecken Lehe an. Dem hatten die Wurster nur eine weitaus geringere Zahl an Verteidigern entgegenzusetzen, obwohl alle Jünglinge und Männer „soweit sie sich noch alleine zur Kirche begeben können“ aufgeboten wurden. Als Freiwillige kamen viele Frauen hinzu.

Dies war der erste Eroberungskrieg Christophs gegen Land Wursten.

Der Übermacht von 12.000 Kriegern mussten sich die Wurster geschlagen geben. Es gab zwei Kampfstätten, eine in Weddewarden, hier siegten die Wurster, die zweite am Wremer Siel. Hier kam es am 23. Dezember 1517 zu einem erbitterten Kampf mit dem Gros der bischöflichen Streitmacht, den die Truppen von Christoph nach einer geschickten Zangenbewegung gewannen.

500 Wurster Männer und 300 Frauen und Mädchen blieben tot im Marsch- und Sietland zurück. In dieser Schlacht fiel auch die legendäre Fahnenjungfer Tjede Peckes.

Der aufgezwungene Friedensvertrag von Imsum sah nicht nur die Aufhebung der bisherigen Landesverfassung, die Übernahme der Kriegskosten durch die Wurster und erhebliche Abgaben vor, auch die Hoheitsrechte über Wasser, Häfen und Straßen gingen an den Erzbischof über. Die überaus gedemütigten Wurster hatten als Zeichen ihrer Unterwerfung auch eine Zwingburg zu errichten, die Burg Morgenstern in Weddewarden. Außerdem wurden 120 Geiseln aus den vornehmsten Wurster Familien genommen.

Eine Huldigungsszene – alle männlichen Überlebenden aus Wursten mussten sich einfinden und vor dem Erzbischof und seinen Mannen niederknien – an der Imsumer Kirche besiegelte 1518 das vorläufige Ende der Wurster Unabhängigkeit und die Angliederung des Landes an das Erzstift Bremen.

Die Wurster mussten nun zum ersten Mal in ihrer Geschichte Frondienste leisten.

Um seine Herrschaft zu legitimieren, erbat Erzbischof Christoph auf dem Reichstag in Augsburg das Land Wursten vom Kaiser als Lehen und erhielt es auch.

Nach Fertigstellung der Burg reisten 18 maßgebliche Würdenträger und Beamte aus Bremen unter Führung vom Domdechant Konrad Klenke an und wollten an der Thingstätte der Wurster – am Sieverdeshamm – Verhandlungen führen. Es kam aber zum heftigen Streit mit den Wurstern, die daraufhin die ganze bischöfliche Gesandtschaft binnen kurzem niedermachte. Der Zorn war mit den Bauern durchgegangen. Seither wird die Stelle auch Klenkenhamm genannt.

Mit dieser unbesonnenen Tat luden die Wurster schwere Schuld auf sich, denn der tätliche Angriff auf Boten und Abgesandte galt schon damals als schweres Unrecht. Die Bluttat auf dem Klenkenhamm war der Beginn eines offenen Aufstandes.

Mit Hilfe ihres ehemaligen Feindes, dem Lauenburger Herzog Magnus, den die Wurster in ihrer Not um Unterstützung baten und auch als Landesherrn anerkannten, und seinen Söldnern, zerstörten die Wurster die Zwingburg Morgenstern und schüttelten die Herrschaft des Bremer Erzbischofs ab. Sie vertrieben die Erzbischöflichen aus dem Land.

Dann zogen die aufgebrachten Wurster zusammen mit den lauenburgischen Knechten durch die benachbarten Landschaften bis hin zum Amt Neuhaus und verwüsteten das benachbarte platte Land.

Langen, Debstedt, Sievern, Holßel und Spaden wurden eingeäschert, und dann ging es auch noch weiter bis ins Vieland auf der anderes Seite der Geeste. Es folgten sieben Jahre wieder in relativer Autonomie, aber in enger staatsrechtlicher Verbindung mit dem Herzogtum Sachsen-Lauenburg, ständig in Unruhe und in Angst vor einem Überfall des Erzbischofs.

Und dieser sollte erfolgen.

Schlacht am Mulsumer Kirchhof

1524 erschienen 8.000 bis 9.000 Kriegsknechte und 1.500 Reiter, die für den Erzbischof die Länder Wursten und Hadeln erobern sollten. Christoph versprach den Landsknechten vor dem Angriff alles als Beute, was sich in dem zu erobernden Land Wursten oberhalb des Erdbodens befand. Im August drangen sie dann von Lehe über Sievern in Wursten ein und stellten die Verteidiger auf dem Kirchhof von Mulsum. Hier fand die entscheidende Schlacht statt.

Bauern aus allen damaligen Wurster Kirchspielen hatten sich dort versammelt, um ihre Freiheit und die ihrer Familien zu verteidigen. Gegen die große Übermacht hatten sie allerdings keine Chance und waren dem Heer des Bischofs hoffnungslos unterlegen. Zwar besaßen die Wurster einige Geschütze und Hakenbüchsen, konnten aber nicht mit ihnen umgehen. Sie erlitten große Verluste, es soll bis zu 1.000 Tote auf Seiten der Wurster gegeben haben.

Der Verbündete der Wurster, Herzog Magnus, hatte bis auf die Lieferung einiger Kanonen und Hakenbüchsen keinerlei Hilfe geleistet. Die Landsknechte nutzen das Versprechen von Christoph als Freibrief für eine brutale Vorgehensweise mit Verwüstung, Brennen, Plündern, Schänden und Morden. Es heißt das in ganz Wursten nur 7 Wohnhäuser unversehrt blieben, und selbst die Kirchen wurden nicht verschont.

Danach drangen die Söldner auch in Nachbargebiete wie Hadeln ein, ohne auf Widerstand zu stoßen. Aus dem Land Wursten floh ein großer Teil der Bevölkerung, der Rest musste den nächsten Winter auch in Erdhöhlen verbringen, da alle Häuser niedergebrannt waren.

1525 wurde der Stader Frieden geschlossen: Das ausgeblutete und ausgebrannte Land Wursten verlor seine Unabhängigkeit und wurde endgültig in das Erzstift Bremen eingegliedert. Die politische und verwaltungsmäßige Einheit des Landes wurde zerschlagen.

Das Ende der Gerichtshoheit der 16 Ratgeber war gekommen. Stattdessen gab es jetzt in jedem Kirchspiel einen erzbischöflichen Vogt als Richter. Die Vögte unterstanden dem erzbischöflichen Amtmann in Bremervörde. Die Wurster durften selbstständig keine Verträge mehr schließen, das Strandrecht wurde dem Erzbischof zugesprochen und das alte Wurster Siegel wurde eingezogen.

Das Wurster Siegel

Es mussten wieder erhebliche Abgaben geleistet werden.

Hiermit wurde das Ende der mehr als 300-jährigen Selbstbestimmung des Landes Wursten für immer besiegelt, wenn es auch in den nächsten Jahrzehnten im Land unter der Bremer Herrschaft immer wieder zu Unruhen und kleineren Aufständen kam. So hat der Hauptgegenspieler des Erzbistums Bremen, Herzog Magnus, noch im Jahre 1525 Truppen angeheuert (unter anderem geflüchtete Wurster Bürger) und besetzte das unter den Kriegsfolgen schwer leidende Land. Es gelang dem Erzbischof jedoch, die Eindringlinge schnell wieder aus dem Land zu vertreiben.

Im Jahre 1557 gab es einen Überfall eines Landsknechthaufens auf das Land Wursten unter Führung des Obersten von Wrisberg. Hintergrund waren immer größere Steuerforderungen des hoch verschuldeten Erzbischofs Christoph.

Wie sich ab 1525 die Verfassungs- und Verwaltungsverhältnisse im Land Wursten entwickelten, darüber geben die Quellen wenig her.

Es wird sich wohl im Laufe der Jahrzehnte ohne besonderen Gründungsakt, also gewohnheitsrechtlich, ein Gremium entwickelt haben, das befugt war, zur Vertretung der Landesinteressen gegenüber der erzbischöflichen Regierung und gegenüber den örtlichen Vögten tätig zu werden.

Quellen

Bücher: „Hadeln und Wursten“ von Mader/Bastian – „Am Meer und hinter den Deichen“ von Rolf Dircksen – „Land Wursten“ von Jens und Claudia Dircksen – „Geschichte des Landes Wursten“ von Erich von Lehe

Des Weiteren: Wikipedia – DeWiki – Nordsee Zeitung – Wremer Chronik

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